Volkssolidarität fordert Vermeidung von FolgeeffektenStärkungsgesetze nicht nur für stationäre Pflegekräfte
Trotz einzelner gut gemeinter Maßnahmen, ist ein umfassendes Konzept im Sinne der Pflegenden als auch der Gepflegten nicht zu erkennen. Das fragmentierte politische Vorgehen torpediert anvisierte Pflegeverbesserungen. Die Volkssolidarität fordert deshalb Stärkungsgesetze nicht nur für Pflegekräfte.
Die Pflege ist ein System aus vielen Zahnrädern. Wenn an einer Stellschraube gedreht wird, bleibt dies nicht ohne Folgeeffekte. Es ist offensichtlich, dass die derzeitige politische Herangehensweise im Pflegebereich einen ganzheitlichen Ansatz vermissen lässt. Vielmehr werden auf der einen Seite einzelne notwendige Maßnahmen (bspw. für das stationäre Pflegepersonal) angegangen, wobei dadurch auf der anderen Seite ebenso dringend erforderlich Pflegeverbesserungen (bspw. bei zu Pflegenden) torpediert werden. Wägt man pflegepolitische Verbesserungen in der Art ab, gelangt man in einer nicht endenden kleinteiligen Verbesserungsspirale.
Folge: Verschiebung des Pflegenotstandes
Mit dem am Freitag im Bundestag abgestimmten Pflegepersonal-Stärkungs-Gesetz (PpSG) ist zu befürchten, dass Fachkräfte aus der Altenpflege und Reha in die Krankenhäuser abwandern. Weiterhin wird in den gegenwärtigen gesetzlichen Reformen zu wenig der Situation in der Reha, den angrenzenden Bereichen der Eingliederungs- und Behindertenhilfe bedacht. Insbesondere der für die Unterstützung von pflegenden Angehörigen wichtige Bereich der ambulanten Pflege, wird die Abwanderung nicht zu einer Verschiebung des Pflegenotstandes führen, sondern noch drastisch erhöhen.
Stärkung auch der informellen Pflege
Nach aktueller Studie der Hans-Böckler-Stiftung werden „in einem durchschnittlichen Pflegehaushalt in Deutschland rund 63 Stunden pro Woche für die Bewältigung der Pflegebedürftigkeit aufgebracht, vor allem in der Betreuung, Begleitung und Hauswirtschaft. Davon werden rund 90 Prozent von informellen Helferinnen und Helfern aus der Familie, dem Freundeskreis oder von Ehrenamtlichen erbracht, aber nur rund zehn Prozent von professionellen Diensten abgedeckt.“ „6,6 Prozent wollen nur mit mehr Hilfe weiter pflegen, knapp ein Prozent will dies auf keinen Fall länger tun.“ Das geht aus dem Pflegereport 2018 hervor, den die BARMER am Donnerstag in Berlin vorgestellt hat.
Das Besondere von Pflege ist die Unplanbarkeit des Eintritts, ihre Dauer und Unabsehbarkeit im Verlauf: häufig nimmt der Schweregrad der Pflegebedürftigkeit und des Umfangs der Verpflichtungen der Pflegenden zu. Daher ist der Bedarf an verlässlicher, bedarfsorientierter Unterstützung in ihrem Alltag groß. Es fehlen noch immer tausende Kurzzeit- und Verhinderungspflegeplätze, sowie qualitativ hochwertige Entlastungsangebote für pflegende Angehörige.
Die hohe Verantwortung und große gesellschaftliche Relevanz informeller Arbeit muss gleichwohl zu stationärem Pflegepersonal politischen Raum finden. Obwohl Erwerbstätige, die ihre Angehörigen pflegen, äußerst belastet sind, bleibt die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf noch zu häufig ihrer individuellen Verantwortung überlassen. Wie der Verbandpräsident Herr Dr. Friedersdorff mehrfach forderte, gilt es weiterhin eine deutlich bessere Unterstützung seitens der Politik auch für die informell Pflegende sicherzustellen.
Menschenwürdige Pflege fundiert finanzieren
Sicher ist auch, dass die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf von Menschen in prekären Verhältnissen besonders schwierig zu gestalten ist. Sowohl eine Übernahme von Pflegeverantwortung, als auch Pflege in Empfang zu nehmen, bedarf finanzieller Möglichkeiten. Pflege darf kein zusätzliches Armutsrisiko darstellen. Pflegebedürftige und ihre Angehörigen sowie die Pflegekräfte dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Die Volkssolidarität ist daher der Auffassung, dass eine menschenwürdige gute Pflege für alle insgesamt deutlich mehr finanzielle Mittel für die erforderlichen Verbesserungen bedeutet. Einen Plan zur Finanzierung, wie der Notstand in der Pflege wirksam behoben werden könne, fehlt weiterhin.
Sabine Dummert